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Bürgerbeteiligung beim Bau und Ausbau von Flughäfen

Ob Stromtrasse, Tiefbahnhof oder Flughafen – Proteste gegen große Infrastrukturvorhaben der jüngeren Zeit machen deutlich, dass es viele Bürger gibt, die sich bei der Planung von Großprojekten übergangen fühlen. In den umfangreichen Planungs- und Genehmigungsverfahren wird bereits heute eine intensive Bürgerbeteiligung praktiziert. Vorschläge zur weiteren Erhöhung der Transparenz gewinnen gleichwohl an Bedeutung.

Bürgerbeteiligung beim Bau und Ausbau von Flughäfen

Die Errichtung von Infrastruktur ist ein langjähriger Prozess, im Luftverkehr wie auch in anderen Wirtschaftsbereichen. In manchen Fällen vergehen von den ersten Plänen bis zur Inbetriebnahme einer Anlage Jahre oder gar Jahrzehnte. Für die Genehmigung von Bundesstraßen, Kraftwerken und auch Flughäfen gibt es einen vorgeschriebenen Verfahrensweg, in dem auch Bürger und Gemeinden einbezogen sind. Seit Anfang der 1990er Jahre wird verstärkt diskutiert, wie sich das Planungsrecht weiterentwickeln lässt, um Genehmigungsprozesse zu beschleunigen, um die Akzeptanz von Infrastrukturprojekten bei den Bürgern durch mehr Transparenz zu erhöhen und um Rechts- und Planungssicherheit bei öffentlichen und privaten Investoren sicherzustellen.

Die Planung eines Flughafens oder einer neuen Start- und Landebahn beginnt meist lange vor dem eigentlichen Genehmigungsverfahren. Am Anfang des Gesamtprozesses steht meist eine Verkehrsnachfrage. Eine Verkehrsprognose soll möglichst zuverlässig Auskunft darüber geben, wie sich das Verkehrsaufkommen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten entwickeln wird. Steht die Prognose, wird daraus die notwendige Kapazität des neu zu bauenden oder zu erweiternden Flughafens ermittelt. Anschließend wird unter allen denkbaren Alternativen der geeignetste Standort und die geeignetste planerische Lösung ermittelt.

Der erste Schritt zu einer Baugenehmigung ist das Raumordnungsverfahren, ihm folgt das Planfeststellungsverfahren. Die Grafik zeigt, wer bei welchem Schritt federführend ist und an welchen Stellen die Bürger beteiligt werden:

Beteiligte am Planungs- und Genehmigungsprozess #beteiligte_am_planungs-und_genehmigungsprozess

Ablauf eines Flughafen(aus)bauprojektes

Ein Flughafen(aus)bauprojekt durchläuft fünf Stufen im Planungs- und Genehmigungsprozess

Das Raumordnungsverfahren #das_raumordnungsverfahren

Im Raumordnungsverfahren, dem ersten Schritt der offiziellen Planung eines Großprojekts, sollen die Auswirkungen des Vorhabens auf die Umgebung und die Raumverträglichkeit untersucht werden. Das Verfahren dient der grundsätzlichen Abstimmung mit den raumordnerischen Zielen von Ländern und Gemeinden, etwa der Früherkennung von Interessenkollisionen. Zuständig für das Raumordnungsverfahren ist die jeweilige Landesplanungsbehörde. Sie beteiligt den Vorhabenträger sowie Fachbehörden, Umweltverbände und die Öffentlichkeit an dem Prozess.

Genehmigungsinstanzen eines internationalen Flughafens #genehmigungsinstanzen-eines-internationalen-flughafens

Das Raumordnungsverfahren schließt auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung ein. Darin untersuchen Gutachter oder die zuständigen Behörden die möglichen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt, also auf Menschen, Tiere, Pflanzen, den Boden, die Landschaft und das Klima sowie Kulturgüter. Dabei wird die Öffentlichkeit beteiligt: Die Antragsunterlagen sowie die Unterlagen, die die Umweltverträglichkeit nachweisen sollen, werden öffentlich in den betroffenen Gemeinden ausgelegt, und die Bürger haben die Gelegenheit, sich schriftlich dazu zu äußern. Die Oberste Landesplanungsbehörde beurteilt dann diese Einwendungen und begründet, wie sie damit umgeht. Diese Beurteilungen und Begründungen müssen in den beteiligten Gemeinden veröffentlicht werden.

Das Verfahren dauert mehrere Monate. Es kann mit einer positiven oder einer negativen Bewertung enden. Auch eine positive Bewertung mit Maßgaben ist möglich. Rechtsmittel gegen die Beurteilung sind nicht möglich, weil das Ergebnis eines Raumordnungsverfahrens an sich keine unmittelbare Rechtswirkung entfaltet. Die folgende Grafik stellt die einzelnen Schritte des Raumordnungsverfahrens dar:

Raumordnungsverfahren inkl. Umweltverträglichkeitsprüfung #raumordnungsverfahren_inkl_umweltvertraeglichkeitspruefung

Bürger bestimmen Standort bei Flughafen(aus)bauprojekten mit

Ein Raumordnungsverfahren ist der erste Schritt bei einem Flughafen(aus)bauprojekt

Das Planfeststellungsverfahren #das_planfeststellungsverfahren

An das Raumordnungsverfahren schließt sich das Planfeststellungsverfahren an. Es ist der entscheidende Schritt auf dem Weg zur Realisierung eines Großprojektes. In ihm werden die Belange der Beteiligten und der Öffentlichkeit berücksichtigt, gewürdigt und gegeneinander abgewogen. Das Luftverkehrsgesetz legt fest, dass ein Flughafen nicht ohne Planfeststellung gebaut oder baulich wesentlich erweitert werden darf. Wie die Verfahren ablaufen und wer welche Rechte hat, das bestimmen im Wesentlichen das Luftverkehrsgesetz, die jeweiligen Fachgesetze und das Verwaltungsverfahrensgesetz.

Das Planfeststellungsverfahren beginnt, wenn der Vorhabenträger – also zum Beispiel die Flughafengesellschaft – bei der zuständigen Landesbehörde den Antrag mit den Planungsunterlagen einreicht. Es endet mit dem Planfeststellungsbeschluss, der alle notwendigen Genehmigungen bündelt, wie die wasserrechtliche Erlaubnis oder naturschutzrechtliche Befreiungen.

Nachdem der künftige Bauherr den Antrag auf Planfeststellung bei der von der Landesregierung beauftragten Behörde eingereicht hat, prüft diese die Dokumente auf Vollständigkeit und ordnet möglicherweise eine weitere Umweltverträglichkeitsprüfung an, die über die Untersuchung im Rahmen des Raumordnungsverfahrens hinausgeht. Außerdem fordert sie alle betroffenen Fachbehörden und Träger öffentlicher Belange zu Stellungnahmen auf. Gleichzeitig legen die betroffenen Gemeinden die Antragsunterlagen einen Monat lang öffentlich zur Einsicht aus. In dieser Zeit und den folgenden zwei Wochen kann jeder Bürger, dessen Belange von dem Vorhaben betroffen sind, Einwendungen erheben.

 

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Die zuständige Behörde prüft die Einwendungen und nimmt dazu Stellung. Je nach Umfang des Vorhabens kann das mehrere Monate dauern. Die Einwendungen und Stellungnahmen werden dem Antragsteller präsentiert, der seinerseits dazu Stellung nehmen kann. Anschließend werden Erörterungstermine festgesetzt, bei denen die Einwendungsführer Gelegenheit haben, mit den Fachleuten des Bauherrn und der Behörden die Einwendungen samt den Stellungnahmen zu diskutieren. Auch hier hängt die Länge des Prozesses vom Umfang des Vorhabens und von der Zahl der Einwendungen ab.

Danach würdigt die Planfeststellungsbehörde die Ergebnisse des Beteiligungsprozesses erneut und fordert den Bauherrn gegebenenfalls zu Nachbesserungen auf. Sobald diese vorliegen, prüft die Behörde, ob der Plan nun alle Belange angemessen berücksichtigt, ergänzt ihn gegebenenfalls um Auflagen und Maßgaben im Interesse des öffentlichen Wohls und der Nachbarschaft, erlässt den Planfeststellungsbeschluss und stellt ihn den Beteiligten zu. Die Grafik veranschaulicht die einzelnen Verfahrensschritte:

Planfeststellungsverfahren #planfeststellungsverfahren

Bürger können Einwendungen gegen Flughafen(aus)baupläne vorbringen

Im Planfeststellungsverfahren haben Bürger das größte Mitbestimmungsrecht bei einem Flughafen(aus)bauprojekt

Am Ende steht der Beschluss #am_ende_steht_der_beschluss

Der Planfeststellungsbeschluss ist ein entsprechend der Größe des Vorhabens sehr umfangreiches Dokument. In dem Beschluss werden die Notwendigkeit des Projektes und die Bedarfsentwicklung erneut geprüft sowie die Belange aller Betroffenen ermittelt und gegeneinander abgewogen. Berücksichtigt werden dabei beispielsweise der Mobilitätsbedarf der Menschen, das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Eigentumsrecht sowie öffentliche Interessen wie Naturschutz, städtebauliche Belange, die verkehrliche Anbindung und die wirtschaftliche Entwicklung der Region.

Der Beschluss ist bindend, soweit er nicht erfolgreich angefochten wird. Er enthält die Zulassung aller geplanten Baumaßnahmen gegebenenfalls mit behördlichen Modifikationen und Auflagen sowie die Regelungen zu erforderlichen Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen. Die Bestimmungen können bis ins Detail gehen und zum Beispiel Vorgaben für bauliche Anlagen festlegen. Entscheidungen zu möglichen Entschädigungen trifft der Beschluss nicht – die diesbezüglichen Regelungen sind im Fluglärmschutzgesetz enthalten. Die endgültige Festlegung von An- und Abflugrouten ist ebenfalls nicht Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens, sehr wohl aber eine möglichst realitätsnahe Prognose der Flugrouten, da auf ihr die Lärmprognose beruht.

Mit Erlass des Planfeststellungsbeschlusses könnte der Vorhabenträger eigentlich mit dem Bau beginnen. In der Regel wartet er jedoch die Eilverfahren vor den Gerichten ab. Gehen diese in seinem Sinne positiv aus, dann wird mit dem Bau begonnen. Ein Planfeststellungsbeschluss ist also dann rechtskräftig, wenn keine Klagen dagegen erhoben wurden oder wenn diese letztinstanzlich abgewiesen wurden. Ein solcher rechtskräftiger Beschluss ist für den Vorhabenträger auch deshalb von entscheidender Bedeutung, weil mit einem großen Infrastrukturvorhaben in der Regel erhebliche Investitionen verbunden sind. Rechtssicherheit ist eine wichtige Voraussetzung, damit Investitionen überhaupt getätigt werden können.

Der Rechtsweg #der_rechtsweg

In jüngster Zeit ist es zur Regel geworden, dass Planfeststellungsbeschlüsse für Großvorhaben vor Gericht angefochten werden. Anlass für Klagen ist meistens, dass Betroffene ihre Einwendungen nicht hinreichend berücksichtigt sehen. Der Rechtsweg soll nicht nur die Klärung rechtlicher Fragen durch unabhängige Gerichte sicherstellen, sondern hat ausdrücklich auch eine Befriedungsfunktion. Wer den Rechtsweg einschlagen will, hat nach Zustellung oder öffentlicher Bekanntmachung des Planfeststellungsbeschlusses einen Monat lang Zeit, Klage zu erheben. Klageberechtigt sind insbesondere Kommunen, anerkannte Umweltverbände und betroffene Bürger – vorausgesetzt, sie haben ihre Einwände schon im Erörterungs- und Anhörungsverfahren vorgebracht. Auch der Vorhabenträger oder Fluggesellschaften können klagen, falls sie ihre Belange im Beschluss nicht hinreichend gewürdigt sehen.

Die Kläger haben zwei Möglichkeiten: Mit einer Anfechtungsklage können sie die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses fordern. Eine Verpflichtungsklage zielt auf eine Ergänzung des Beschlusses, zum Beispiel mit Auflagen zu Gunsten der Kläger. Zuständig für die Klagen ist das Oberverwaltungsgericht des jeweiligen Bundeslandes. Falls der Kläger dessen Urteil anfechten will, kann er – soweit zulässig – Revision beim Bundesverwaltungsgericht einlegen.

Wer also als Bürger klagen will, muss erklären, warum seiner Ansicht nach der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist und seine eigentlich durch verschiedene Gesetze bestehenden Rechte verletzt werden. Bei der Klage geht es nicht darum, ob das Projekt an sich sinnvoll ist oder nicht. Umweltverbände müssen bei einer Klage nicht die Verletzung eigener Rechte geltend machen, sondern können mit Umweltschutzvorschriften argumentieren. Wenn die Gerichte den Planfeststellungsbeschluss bestätigen, ist dieser rechtskräftig.

Die folgende Grafik zeigt am Beispiel der geplanten dritten Start- und Landebahn am Flughafen München den realen Ablauf eines Planungs- und Genehmigungsprozesses:

Planungs- und Genehmigungsprozess #planungs-und_genehmigungsprozess

Beispielhafter Ablauf am Flughafen München für den Bau einer dritten Startbahn

Ablauf des Planungs- und Genehmigungsprozesses für den Bau der dritten Startbahn am Flughafen München

Quelle: Flughafen München GmbH (FMG)

Debatte um Ausweitung der Bürgerbeteiligung #debatte_um_ausweitung_der_buergerbeteiligung

Unabhängig von den umfassenden Planfeststellungsverfahren gibt es eine öffentliche Diskussion darüber, ob es neue Formen der Bürgerbeteiligung bedarf. So hat das Bundesverkehrsministerium 2012 ein „Handbuch für eine gute Bürgerbeteiligung bei der Planung von Großvorhaben im Verkehrssektor“ veröffentlicht. Darin empfiehlt das Ministerium, informelle Beteiligungsmodelle einzuführen und die bestehenden Veröffentlichungspflichten auf das Internet auszudehnen, auch ohne dass Gesetze in diese Richtung geändert werden müssen. Das Ministerium rät den planenden Behörden und Unternehmen, sich schon in frühen Phasen des Projektes ein Bild von den zu erwartenden Haltungen der betroffenen Bevölkerung zu machen und sie dementsprechend in die Planung einzubeziehen. Umfassende Information im Vorfeld soll helfen, langwierige Gerichtsverfahren zu vermeiden und den Nutzen von Infrastrukturprojekten für die Allgemeinheit besser zu vermitteln. Die Verfasser des Handbuchs weisen allerdings darauf hin, dass jedes Projekt individueller Maßnahmen bedarf, die auf die Situation vor Ort abgestimmt sein müssen.

Daraufhin hat der Gesetzgeber im Paragraph 25 des Verwaltungsverfahrensgesetzes einen neuen Absatz 3 eingefügt, wonach eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung durch den Projektträger möglichst bereits vor Stellung des Antrags stattfinden soll: Der Projektträger soll die betroffene Öffentlichkeit über die Ziele, über die Mittel und über die Auswirkungen des Vorhabens unterrichten und Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung geben. Die Ergebnisse der Beteiligung sollen der Behörde spätestens mit der Antragstellung mitgeteilt werden.

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