Die Mobilitätsansprüche der Bevölkerung steigen kontinuierlich im beruflichen sowie privaten Umfeld. Reisen und zwar schnell – auch über große Distanzen - gehört heute zum Lebensalltag. Verschiedene Prognosen von Airbus, Boeing als auch Fluggesellschaften zur Luftverkehrsentwicklung zeigen eine steigende Transportnachfrage mit durchschnittlichen Wachstumsraten beim Verkehrsaufkommen von vier bis fünf Prozent pro Jahr. Neben den Herausforderungen, die ohnehin mit den Wachstumsraten verbunden sind, ist an dieser Stelle auch die Bevölkerung zu nennen, die trotz steigender Mobilitätsansprüche zunehmend sensibler auf Umweltbelange reagiert. Aktuelles Beispiel ist die Planung der dritten Start- und Landebahn am Flughafen München.

Unterschiedliche Studien belegen, dass Lärm oft als belästigend oder teilweise sogar als belastend von der Bevölkerung wahrgenommen wird. An dieser Stelle ist auch der Begriff „Lärm“ näher zu beschreiben. In erster Linie strahlt ein Flugzeug ein Geräusch ab, was als „Emission“ bezeichnet wird. Die Übertragung des Geräusches in der Luft wird als „Transmission“ und die Einwirkung auf die Umwelt als „Immission“ bezeichnet. Erst wenn dieses Geräusch von der Umwelt als störend empfunden wird, wird von Lärm gesprochen. Da jeder Mensch über eine unterschiedliche Geräuschwahrnehmung verfügt, ist keine klare Grenze zwischen Geräusch und Lärm definiert. Dies führt teilweise zu kontroversen Diskussionen zwischen Branchenvertretern und Fluglärmgegnern.

Dauerhafter Anstieg der Flugbewegungen ist zu erwarten

Um dem prognostizierten Wachstum Rechnung zu tragen, ist neben dem Ausbau von Flughäfen, der Entwicklung effizienterer Flugzeuge sowie der Weiterentwicklung des Air Traffic Managements auch ein dauerhafter Anstieg der Flugbewegungen zu erwarten. Diese Erhöhung der Flugbewegungen hat auch einen direkten Einfluss auf die Lärmemissionen. Um den steigenden Ansprüchen der Bevölkerung und dem Umweltgedanken zu entsprechen, sind alle Beteiligten darin bestrebt, kurzfristig umsetzbare Maßnahmen zu identifizieren, die bereits vor flächendeckender Einführung neuer Technologien umsetzbar sind und dabei auch nachhaltig zur Lärmminderung beitragen.

In diesem Zusammenhang ist herauszustellen, dass die Luftfahrtbranche seit Jahrzehnten kontinuierlich an der Geräuschreduzierung im Nahbereich von Flughäfen arbeitet. Um dieses Thema weiter voran zu treiben, hat vor kurzem auch ein Feldversuch mit einer Boeing 767 am Flughafen Frankfurt am Main stattgefunden, wo unterschiedliche Landeverfahren untersucht wurden. Neben der Landung trägt die Start- und Steigflugphase von Flugzeugen maßgeblich zur Geräuschbelastung im Flughafennahbereich bei. Literaturrecherchen haben ergeben, dass vergleichbare Untersuchungen zu Start- und Steigflugverfahren nicht vorliegen. Grund genug, sich mit Start- und Steigflugverfahren intensiv auseinanderzusetzen.

Detaillierte Informationen sind die Basis

Zwingende Voraussetzung für die Anpassung von Start- und Steigflugverfahren ist die systematische Analyse der Lärmquellen an Flugwerk und Triebwerk, als auch die möglichen Konfigurationen im Flugbetrieb und deren Ausprägungen im Hinblick auf die Lärmimmissionen in den unterschiedlichen Flugphasen unter realen Umfeldbedingungen. Ohne diese detaillierten Informationen ist eine gezielte Optimierung nicht möglich. Nach Analyse des derzeit praktizierten Startverfahrens und den gesetzlichen Rahmenbedingungen wurden die Parameter identifiziert, die einen Einfluss auf die Lärmimmissionen haben können.

Basis dafür bildeten die „Standard Operating Procedures“ (SOPs), die alle startlauf- und steigflugbeeinflussenden Parameter beinhalten und von den Flugzeugführern im Rahmen einer sicheren und effizienten Flugvorbereitung und Flugdurchführung berücksichtigt werden. Dazu gehören äußere Einflüsse wie atmosphärische Parameter, startbahnspezifische Parameter, flugbetriebliche Parameter wie die Cutbackhöhe (Höhe der Schubanpassung) und flugzeugspezifische Parameter wie zum Beispiel Klappen- oder Schubstellung. Durch diesen sehr praxisnahen Ansatz der Parameteridentifikation können gewonnene Erkenntnisse und Empfehlungen dem Flugbetrieb auch zurückgeführt werden.

Versuchsreihen mit Flugzeugen oft nicht durchführbar

Komplexe Versuchsreihen mit Flugzeugen an einem existierenden Flughafen sind aus Zeit- und Kostengründen sowie der Vielzahl der Varianten und der nicht möglichen Reproduzierbarkeit der Ergebnisse in der Realität oft nicht durchführbar. Deshalb standen für die Untersuchung der identifizierten Parameter geeignete Tools zur Berechnung der Flugleistung und der Lärmimmission zur Verfügung.

Mit Hilfe der Tools wurden die Parameter auf Sensitivität im Hinblick auf die Lärmimmissionen und den Kraftstoffverbrauch untersucht. Dazu wurden die jeweils berechneten Startläufe und Steigflugprofile verschiedener Flugzeugtypen (Airbus A320, A340, A380) in ein Fluglärmberechnungsprogramm übertragen, um die resultierenden Lärmimmissionen zu berechnen. Anschließend wurden ausgewählte sensitive Parameter miteinander kombiniert, um exemplarisch das Potenzial von Parameterkombinationen aufzuzeigen.

Die sich ergebenden Lärmkonturen (Noise Foot Prints) am Boden bildeten dann die Basis der Bewertung und wurden in Bezug auf die Fläche und die jeweilige Ausprägung einer vergleichenden Betrachtung unterzogen. Im Folgenden wird exemplarisch die Variation der „Cutbackhöhe“ näher erläutert. Als „Cutbackhöhe“ wird die Höhe bezeichnet, in der der Flugzeugführer den vorab berechneten Startschub anpasst. Beim aktuell praktizierten und weit verbreiteten Startverfahren folgt der Schubanpassung eine Beschleunigungsphase, in der bei Erreichung der jeweiligen Mindestfluggeschwindigkeiten die Klappen eingefahren werden. In Abb.1 sind verschiedene Flugprofile für den Airbus A320-211 aufgeführt, die sich aus der Änderung der Cutbackhöhe ergeben.

Abb. 1: Höhenprofile A320-211 – Variation Cutbackhöhe

Es wird ersichtlich, dass die Variation der Cutbackhöhe das Höhenprofil des Flugzeuges in einer Entfernung von 5 Kilometern bis 15 Kilometern vom Startpunkt beeinflusst. Diese Beeinflussung hat ebenfalls eine Auswirkung auf die Lärmimmissionen, die in Abb. 2 dargestellt sind.

Abb. 2: Maximalschallpegelkonturen des A320-211 - Variation der Cutbackhöhe

Die Untersuchung zeigt, welche startlauf- und steigflugrelevanten Parameter in welcher Weise Einfluss auf die Lärmimmission haben. Die gewonnenen Erkenntnisse können auf verschiedene Flughäfen unter Beachtung der individuellen Besiedlungsstruktur vor Ort übertragen werden.

Weitere Details zum Thema können im Buch „Sensitivitätsanalyse start- und steigflugbeeinflussender Parameter von Verkehrsflugzeugen im Hinblick auf die Lärmimmissionen“, erschienen im Verlag Dr. Hut, nachgelesen werden.