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ICAO regelt den internationalen Luftverkehr

Fliegen muss vor allem sicher sein. Gleichzeitig darf der Luftverkehr Flughafenanrainer nicht in unzumutbarer Weise belasten. Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO, eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, sorgt dafür, dass Flugzeuge weltweit den höchsten Sicherheitsstandards genügen und formuliert Leitlinien für die Verringerung von Lärmproblemen im Umfeld von Flughäfen.

ICAO regelt den internationalen Luftverkehr

Die wesentlichen Standards und Regeln für den weltweiten Luftverkehr werden auf internationaler Ebene festgelegt, denn Luftverkehr findet vor allem grenzüberschreitend statt. Nur wenn die Verkehrsteilnehmer überall auf der Welt vergleichbare Bedingungen vorfinden, kann Luftverkehr zuverlässig funktionieren. Unter dem Dach der Vereinten Nationen beschäftigt sich die Internationale Zivilluftfahrtorganisation  ICAO (International Civil Aviation Organization) mit dem Thema Reduzierung von Fluglärm.

Internationale Regelungen zum Lärmschutz #internationale_regelungen_zum_laermschutz

Die Vereinten Nationen stellen international gültige Regelungen zum Lärmschutz auf

Das Chicagoer Abkommen #das_chicagoer_abkommen

Um dem weltweiten Luftverkehr einheitliche Regeln zu geben, unterzeichneten Vertreter von 52 Staaten im Dezember 1944 in Chicago einen Vertrag über die internationale Zivilluftfahrt, das sogenannte Chicagoer Abkommen. Damit war das „Grundgesetz“ des globalen Luftverkehrs geschaffen. Das Abkommen regelt Grundsätze und Übereinkommen, damit sich die internationale Zivilluftfahrt sicher und geordnet entwickeln kann und damit internationale Luftverkehrsdienste auf der Grundlage gleicher Möglichkeiten eingerichtet und stabil und wirtschaftlich betrieben werden können. Zugleich gründeten die Vertreter der Staaten die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO – damals zunächst ohne Deutschland. 1947 wurde die ICAO eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Die Bundesrepublik trat 1956 bei, inzwischen sind 193 Staaten Mitglied der Organisation, die ihren Hauptsitz im kanadischen Montréal hat.

Das Chicagoer Abkommen wird ständig aktuellen Erfordernissen angepasst. Es hat zurzeit 19 Anhänge. In ihnen sind mittlerweile mehr als 12.000 Standards und empfohlene Verfahren festgelegt. Dazu gehören unter anderem Standards für technische Luftfahrtausrüstungen, Sprechfunkregeln, Anforderungen für den Erwerb von Pilotenlizenzen, Verfahren bei der Unfalluntersuchung, aber auch Anflugverfahren und Vorschriften zum Schutz der Umwelt. Die Vorgaben der ICAO haben zwar in den Mitgliedstaaten keine direkte Gesetzeswirkung, aber ihre Bedeutung geht weit über reine Empfehlungen hinaus: Die Länder sind angehalten, die Standards und Verfahren in ihrem Hoheitsgebiet für verbindlich zu erklären. Jeder Staat kann in einzelnen Punkten abweichen, doch dies muss er der ICAO verbindlich mitteilen, damit es international kommuniziert und entsprechend berücksichtigt werden kann.

In Anhang 16 des Abkommens geht es um den Umweltschutz im Luftverkehr. Dort finden sich unter anderem die Richtlinien der ICAO für die Lärmzertifizierung von Flugzeugen und für den ausgewogenen Ansatz für den Umgang mit Fluglärm, kurz Balanced Approach.

Regelungen zum Lärmschutz im Chicagoer Abkommen #regelungen_zum_laermschutz_im_chicagoer_abkommen

Der Anhang  16 des Chicagoer Abkommens trifft Regelungen zum Schutz vor Fluglärm

Der ausgewogene Ansatz: Balanced Approach #der-ausgewogene-ansatz-balanced-approach

Die ICAO veröffentlichte die Leitlinien für einen ausgewogenen Ansatz zum Umgang mit Fluglärm als Teil des Anhangs 16 zum Chicagoer Abkommen. Damit ist der Balanced Approach für alle Unterzeichnerstaaten bindend. In ihm werden Hauptelemente definiert, mit denen die Verkehrsflughäfen unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Situation den Fluglärm wirkungsvoll verringern können, ohne die Sicherheitsstandards zu gefährden, die in jedem Fall Vorrang vor dem Umweltschutz haben.

Der Balanced Approach prägt die Umsetzung der nationalen Vorgaben durch die zuständige Behörde. Dabei gilt folgendes Prinzip: Zuerst muss sie die aktuelle und die künftige Lärmsituation analysieren und mit den geforderten Zielen in Beziehung setzen. Anschließend ermittelt sie Nutzen und Kosten der möglichen Lärmschutzmaßnahmen und wählt dann diejenigen Maßnahmen aus, die wirksame Effekte zu den günstigsten Kosten bringen. Die Behörde ist angehalten, die Ergebnisse dieser Untersuchungen allen Beteiligten und Betroffenen zur Verfügung zu stellen und diese bei der Planung und Umsetzung der Maßnahmen einzubeziehen. So berücksichtigt der Balanced Approach die Interessen aller Bezugsgruppen.

Aufgabe der Behörde ist es nun, die in Frage kommenden Maßnahmen zu gewichten und möglichst ausgewogen miteinander in Einklang zu bringen. Neben Sicherheitsanforderungen und ökologischen Zielen, in diesem Fall die Verringerung des Fluglärms, werden auch ökonomische und flugbetriebliche Kriterien einbezogen. Nach der Gewichtung und Verfügung der einzelnen Maßnahmen setzt der Flughafen diese um.

Im Balanced Approach sind vier Optionen beschrieben, wobei die ICAO international verbindlich festgelegt hat, dass die drei ersten Punkte eine höhere Priorität haben als der vierte, und dass lärmbedingte Betriebsbeschränkungen nur im Ausnahmefall zu verhängen sind:

  • Lärmreduzierung an der Quelle, also an den Flugzeugen. Dazu gehören der Einsatz lärmarmer Flugzeuge und lärmmindernde Maßnahmen bei der Bestandsflotte an Triebwerken, Flügeln und Fahrwerken.
  • Lokale Maßnahmen im Flughafenumfeld. Dazu zählen zum Beispiel ein Flächennutzungsplan, der auf die Lärmschutzbereiche abgestimmt ist, passiver Schallschutz und lärmabhängige Start- und Landeentgelte.
  • Lärmreduzierende Verfahren in der Luft und am Boden. Zu den innovativen Flugverfahren, die an den Flughäfen erprobt werden, gehören etwa der kontinuierliche Sinkflug sowie satellitengestützte Anflugverfahren. Maßnahmen, die zu einem verringerten Betrieb der Triebwerke im Bodenverkehr führen, reduzieren ebenfalls den Lärm.
  • Lärmbedingte Betriebsbeschränkungen. Diese sollen nur zum Zuge kommen, wenn alle anderen Optionen zur Reduzierung der Lärmbelastung ausgeschöpft wurden.

Balanced Approach der ICAO #balanced_approach_der_icao

Leitlinien der UN-Luftfahrtorganisation ICAO zur Reduzierung von Fluglärm

Die UN-Luftfahrorganisation ICAO bestimmt mit dem Balanced Approach Regelungen zur Reduzierung von Fluglärm

Quelle: UN-Luftfahrtorganisation (ICAO)

Lärmzertifizierung von Flugzeugen #laermzertifizierung_von_flugzeugen

Ohne Lärmzeugnis wird kein Flugzeug zugelassen. Welche Bedingungen und Werte es für die Zertifizierung erfüllen muss und mit welchen Verfahren die Werte ermittelt werden, regelt ebenfalls Anhang 16 des Chicagoer Abkommens. Diese Standards wurden als Lärmvorschriften für Luftfahrzeuge (LVL) in deutsches Recht und durch entsprechende Verordnungen in europäisches Recht umgesetzt.

In Europa werden Flugzeuge von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit EASA zugelassen. Voraussetzung für eine lärmtechnische Zulassung ist, dass die Flugzeuge an genau definierten Messpunkten bestimmte Lärmwerte nicht überschreiten. Die Messpunkte für den seitlichen Fluglärm liegen auf einer Linie parallel und in einer Entfernung von 450 Metern von der Mittellinie der Start- und Landebahn, wo der Geräuschpegel während des Starts maximal ist. Ein weiterer Messpunkt befindet sich 6,5 Kilometer entfernt vom Beginn des Startvorgangs auf der verlängerten Startbahn-Mittellinie. Der Messpunkt für Anflüge liegt 2 Kilometer vor Beginn der Landebahn auf der Startbahn-Mittellinie. Dort fliegt das Flugzeug noch in einer Höhe von 120 Metern.

Messpunkte für die Lärmzertifizierung von Flugzeugen #messpunkte_fuer_die_laermzertifizierung_von_flugzeugen

ICAO-Vorschrift zur Lage der Messpunkte

Die ICAO legt Messpunkte fest, nach denen Flugzeuge entsprechend ihrer Lautstärke zertifiziert werden

Quelle: UN-Luftfahrtorganisation (ICAO)

Die Lärmkapitel des Chicagoer Abkommens #die_laermkapitel_des_chicagoer_abkommens

Als Bewertungsgröße für die Zulassung von Flugzeugen dient der sogenannte effektiv wahrgenommene Lärmpegel (EPNL). Er wird in EPNdB angegeben und trägt der besonderen Charakteristik von Fluglärm Rechnung: Beim effektiv wahrgenommenen Lärmpegel werden die hervorstechenden und als lästig empfundenen Frequenzen der Triebwerke stärker gewichtet.

Die zulässigen Werte hängen von der maximalen Startmasse und von der Anzahl der Triebwerke des jeweiligen Flugzeugtyps ab, sind also praktisch für jeden Typ verschieden. Welche Anforderungen die Flugzeugtypen jeweils erfüllen müssen, regelt das Chicagoer Abkommen in sogenannten Lärmkapiteln. Die aktuellen Düsenflugzeuge entsprechen den Lärmschutzanforderungen der Kapitel 3 und 4, Ende 2017 trat mit Kapitel 14 eine deutliche Verschärfung der Grenzwerte in Kraft:

  • Kapitel 14 ist das Lärmkapitel mit den schärfsten Anforderungen, es betrifft alle Flugzeugmuster, die ab dem 31.12.2017 zugelassen wurden. Hier liegt der Grenzwert bei der Summe der drei Messpunkte um 7 EPNdB niedriger als bei Kapitel 4-Flugzeugen. An jedem Messpunkt muss das Flugzeug um mindestens 1 EPNdB leiser sein als ein Kapitel 4-Flugzeug.
  • Kapitel 4-Flugzeuge wurden seit 2006 zugelassen, dazu gehören der Airbus A380 und die Boeing 787 – also viele moderne Flugzeuge, die zurzeit eingesetzt werden. Kapitel 4-Flugzeuge müssen bei der Zulassung die Lärmgrenzwerte der Vorgängergeneration, also der Kapitel 3-Flugzeuge, in Summe um 10 EPNdB oder mehr unterschreiten. Die Flugzeuge müssen darüber hinaus an jedem Messpunkt leiser sein als die Kapitel-3-Grenzwerte, und zusätzlich muss an zwei Messpunkten der Wert für Kapitel 3-Flugzeuge um mindestens 2 EPNdB unterschritten werden.
  • Kapitel 3-Flugzeuge erfüllen den aktuellen Mindeststandard beim Lärmschutz für Starts und Landungen an europäischen Flughäfen. In Europa müssen seit 2002 alle Flugzeuge diesem Standard entsprechen. Flugzeugtypen, die nach Kapitel 3 zugelassen wurden, sind etwa die frühen Airbus-Modelle A300 und A310 sowie die Boeing-Flugzeuge der Typen 757 und 767. Die meisten Flugzeuge, die heute im Einsatz sind, gehen schon deutlich über diesen Standard hinaus, und viele Flugzeuge, die heute in Westeuropa verkehren, können auf Kapitel 4-Niveau nachgerüstet werden. Beispielsweise sind die Flugzeuge der Typen Boeing 757-300 und 767-300 von Condor nach Kapitel 4 zugelassen.
  • Kapitel 2-Flugzeuge haben ihre Typzulassung vor 1978 erhalten. Seit April 2002 dürfen diese Flugzeuge innerhalb der Europäischen Union nicht mehr eingesetzt werden – mit wenigen Ausnahmen, etwa für Hilfsflüge oder Oldtimer-Flüge. Zu den Kapitel 2-Flugzeugen gehören beispielsweise die Boeing 727 und die Douglas DC-9.
  • Flugzeuge ohne Kapitel dürfen die Verkehrsflughäfen der EU seit 1988 nicht mehr anfliegen. Dazu zählen die Düsenflugzeuge der ersten Generation wie die Caravelle, die erste Boeing 707 und die Douglas DC-8.

Die Kapitel 5, 6 und 10 regeln die Lärmgrenzen für kleinere Propellerflugzeuge, die die großen Verkehrsflughäfen eher selten anfliegen. Die übrigen Kapitel betreffen Hubschrauber, Flugzeuge mit Kurzstarteigenschaften und Überschalljets und sind in der Praxis weniger wichtig, weil diese Luftfahrzeuge zumindest in Deutschland selten oder gar nicht auf Verkehrsflughäfen starten und landen, insbesondere nicht nachts.

Die folgende Grafik zeigt, wie die Lärmgrenzwerte seit den 1970er Jahren kontinuierlich verschärft wurden:

Internationale Lärmgrenzwerte für Flugzeuge #internationale_laermgrenzwerte_fuer_flugzeuge

Kontinuierliche Verschärfung der Lärmgrenzwerte der UN-Luftfahrtorganisation (ICAO)

Die ICAO verschärft kontinuierlich die Lärmgrenzwerte für Flugzeuge und schafft so internationale Leitlinien

Quelle: UN-Luftfahrtorganisation (ICAO)

Viele Flugzeuge halten diese Grenzwerte nicht nur ein, sondern bleiben deutlich darunter. Ein Airbus A319-100, wie ihn die Lufthansa betreibt, ist ein Kapitel 3-Flugzeug, unterschreitet den entsprechenden Grenzwert aber um bis zu 21,2 EPNdB. Einige Flugzeugtypen bleiben schon heute unter den Grenzwerten des Kapitels 14, obwohl sie erst für Maschinen gelten, die ab dem 31.12.2017 zugelassen wurden. Dazu gehören beispielsweise die Boeing 747-8, die den Grenzwert des Kapitels 14 um 8,9 EPNdB unterschreitet, und der Airbus A380, der den Grenzwert um 9,7 EPNdB unterschreitet.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO #die_weltgesundheitsorganisation_who

Die WHO soll die Gesundheit der Weltbevölkerung regelmäßig und nachvollziehbar beobachten, analysieren und das Gesundheitsniveau nach Möglichkeit erhöhen. Sie bekämpft nicht nur übertragbare Krankheiten und organisiert internationale Impfprogramme. Eines ihrer Arbeitsfelder besteht auch darin, die Ursachen von Lärm und Möglichkeiten zu seiner Minderung zu erforschen. Im Gegensatz zu den Standards der ICAO sind die Leitlinien der WHO nicht bindend für ihre 194 Mitgliedstaaten, sie dienen vielmehr der Orientierung bei der Entwicklung eigener Regeln.

Das europäische Regionalbüro der WHO hat 2018 Leitlinien im Umgang mit Umgebungslärm herausgegeben. In den Leitlinien werden Empfehlungen für Ziele zur Lärmbelastung ausgesprochen. In Bezug auf Fluglärm hat die WHO als Zielwert für die Nacht einen Dauerschallpegel von 40 dB (Lnight) und für den gesamten Tag 45 dB (Lden) definiert. Dieses Ziel basiert auf einem weitgehenden Gesundheitsbegriff der WHO, bei dem unterhalb der definierten Grenze kein gesundheitliches Risiko zu befürchten sei. Dies zu realisieren wird jedoch sehr schwierig, denn schon das städtische Grundrauschen liegt heute bereits bei 45 dB (A).

Das Internationale Institut für Normung ISO #das_int_institut_fuer_normung

Die ISO ist eine unabhängige, staatenübergreifende Organisation, die 1946 gegründet wurde. Die Experten der 167 Mitgliedsstaaten entwickeln internationale Standards für unterschiedlichste Bereiche der Technik, der Industrie oder des Gesundheitswesens. Die Anwendung dieser Standards, auch Normen genannt, ist freiwillig, soweit nicht in einer gesetzlichen Regelung die Einhaltung verlangt wird.

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